Wir haben wunderbar geschlafen. Das Frühstück war famos – und lässt uns ein bisschen wehmütig zurück: so toll wie im Fährhaus Meißen werden wir wohl auf unserer Tour nicht mehr „absteigen“ können. Sei’s drum – denken wir nach vorn, denn ca. 35 km liegen vor uns, das Ziel heißt: Strehla.
Wir starten gegen 11 Uhr rechtselbisch in Richtung Diesbar-Seußlitz. Nach einem ersten „Aua“ beim Besteigen des Sattels stellen wir fest, dass es das Wetter heute sehr gut mit uns meint. Es geht vorbei an sanften Hängen, an denen der Meißner Wein heranreift – zwischendrin immer wieder kleine Straußwirtschaften und Restaurants, in denen man zum Wein gleich noch ein Alibi-Schnitzel ordern kann. Hier befindet sich auch das Weingut Schloss Proschwitz, das es durch die önologischen Ergüsse des Prinzen zur Lippe zu überregionaler Bekanntheit geschafft hat.
Eigentlich wollten wir bei Kleinzadel einen fliegenden Wechsel des Flussufers durchführen, allein das Niedrigwasser der Elbe macht uns einen Strich durch die Rechnung – die Fähre fährt nicht. Führe die Fähre jetzt, würde sie wohl im Schlamm steckenbleiben. Kurz bekommen wir Panik: müssen wir jetzt bis zu den Hamburger Elbbrücken rechts der Elbe entlang gondeln? Wir machen das Beste draus und beschließen, die nächste Fähre zu testen und auf dem Weg dahin im Garten von Lehmanns Weinstuben in Diesbar-Seußlitz anzulegen, die wir aus der Spargelzeit nur zu gut kennen. Heute stehen Pfifferlinge auf der Karte, flankiert von einer spritzigen Weinschorle.
Eine Fähre weiter sieht die Welt, äh die Elbe schon viel besser aus. „Fährmann, hol über!“ heißt es nun, und kurz darauf haben wir linkselbischen Boden unter dem Gummi. Etwas genervt stehen wir kurz darauf vor einer unangekündigten Baustelle – der Radweg ist dicht. Die Bauarbeiter rangieren ihren Bagger aber freundlicherweise beiseite, wir können durch. Gleich passieren wir Schloss Hirschstein, dann geht es halbschattig weiter durch sehr schöne Alleen.
Was jetzt kommt, hatten wir bisher nicht auf dem Schirm: Gegenwind! Der Nachwuchs ist nicht begeistert, kämpft sich aber wacker durch. Denn bald kommt: Riesa. Riesa scheint ein exotisches Pflaster zu sein, denken wir, als wir am Feldrand einer im Getreide hockenden asiatischen Schönheit begegnen, die gerade von einem agrarophilen Fotografen abgelichtet wird. Die Kinder wundern sich. Riesa ist Stahlwerk, denke ich, staune aber, dass wir eigentlich die ganze Zeit durch schöne Alleen und vorbei an einem Park die Stadt erreichen. Okay, die Innenstadt hat viel Beton, aber immerhin auch ein paar Geschäfte, in denen wir uns noch fix für das Abend-Picknick eindecken, denn wir wissen noch nicht, was uns erwartet in Strehla.
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Wir versuchen, Riesa wieder zu verlassen. Leider: Fahrradbrücke gesperrt. Die Umleitung schaffen wir auch noch, auch wenn wir heute ganz schön verleiert auf den Rädern hocken – jetzt auch noch mit kulinarischem Ballast. Immerhin haben wir heute allerhand Tiere gesehen – Störche, Rehe, Mäuse, Kühe, Schafe, Ziegen grüßten freundlich am Wegesrand, und sogar eine Ratte kam extra aus dem Riesaer Gully geklettert, um kurz hallo zu sagen. Wir freuen uns tierisch.
Am Horizont erscheint Strehla. Wir hatten uns ein kleines Dorf vorgestellt, aber schon das Ortseingangssschild spricht mahnend: „Stadt Strehla“. In eine Bäckerei mit angeschlossener Pension haben wir uns eingemietet. Wir erreichen Strehla Downtown, die aber leider „up hill“ ist – wir und einige 40-Tonner quälen uns den Berg zum Marktplatz hinauf. „Beim Bäcker sind wir da“ rufe ich beruhigend. Leider gibt es drei Bäcker. Erst beim dritten, direkt am Marktplatz, sind wir am Ziel.
Die „Bäckerei Behnisch“ bäckt in einem 300 Jahre alten Haus ihre Brötchen und allerlei schlesische Köstlichkeiten – und verschickt diese weltweit. In der oberen Etage gibt’s eine Handvoll einfache Zimmer, die sich ein rosa gefliestes Gemeinschaftsbad teilen. Das ist einfach, aber okay, auch wenn wir an einigen Stellen im Haus über den DDR-Charme schmunzeln mussten. Die Radfahrer und auch die Pilger, die auf dem durch Strehla verlaufenden Jakobsweg hier Halt machen, stört es nicht. Am Abend sitzen wir noch lange mit einem der beiden Betreiber draußen im kleinen gemütlichen Hof und lauschen fasziniert den Geschichten von skurrilen Gästen, die man hier treffen kann.
Wir sind müde vom Gegenwind, freuen uns schon auf das Frühstück in der Bäckerei und schlafen selig ein.