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Fahrradtour auf dem Elberadweg mit Kindern – Teil 4: von Torgau nach Zahna

Es ist Mittwoch, die Sonne brennt schon morgens ordentlich. Gut, dass die Terrasse in Wenzels Hof von Sonnenschirmen überdacht ist – wir frühstücken draußen. Das etwas unmotivierte Frühstücksbuffet trübt unseren ansonsten guten Eindruck des Hotels ein wenig, aber sei’s drum. Heute ist ein besonderer Tag, denn heute wird gemogelt: einen Teil der Strecke werden wir mit dem Zug zurücklegen, denn erstens ist es tierisch heiß, zweitens habe ich mich in der Streckenlänge tierisch verrechnet (58 km), und drittens wollen wir uns Torgau noch anschauen – die Stippvisite bei der Anreise gestern Abend war sehr vielversprechend.

Aufsitzen, wir rollen ins 4 km entfernte Torgau. An der ersten Kreuzung in der Stadt kommt es zum ersten Ausfall in unserer Ausrüstung: die Hose des Sohnemanns reißt beim Aufsteigen auf ganzer Länge auf. Altes Gewebe verneigt sich ehrenvoll vor dem jungen Kraftmeier. In wenigen Sekunden ist der Pitstop erledigt, Ersatzhose an, kaputte Hose fliegt in den Mülleimer. Wieder ein paar Gramm weniger Ballast.

Unser erstes Ziel ist der Bahnhof. Tickets inkl. Fahrradkarten holen (5 Euro pro Rad), Gepäck abstellen bei der hilfsbereiten Fahrkartenverkäuferin, und weiter geht’s mit leichten Rädern. Gefühlt in Lichtgeschwindigkeit sind wir nun leichtfüßig unterwegs in die Altstadt von Torgau. Wichtigste Vorhaben: Schloss Hartenfels angucken, neue kurze Hose kaufen. Letzteres erledigen wir zuerst und stoßen dabei auf eine wunderschöne kleine Kaffeerösterei in der Bäckerstraße (Rösterei Arabica), in der wir uns erstmal einen ordentlichen Cappuccino machen lassen und dabei fasziniert der Betreiberin zuhören, die uns im Schnelldurchgang die wichtigsten Dinge rund ums Kaffeerösten erklärt. Eine Tüte „Torgauer Bär – Meister Petz-Röstung“ landet in unserem Rucksack.

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Apropos Bär: Schloss Hartenfels ist nicht nur berühmt, weil es so schön ist, oder weil sich am Fuße des Schlosses die Russen und die Amerikaner im April 1945 die Hand reichten, sondern auch, weil hier im Burggraben – wie schon seit über 500 Jahren – Braunbären leben. Heute residieren hier drei Prachtexemplare, darunter gleich zwei Namensvetterinnen, eine Jette und eine Bea, wie wir ungläubig staunend lernen.

Sehr interessant wäre sicher auch die Gedenkstätte des ehemaligen „Jugendwerkhof Torgau“ gewesen. Leider reicht unsere Zeit nicht, und so machen wir uns auf zum Bahnhof – nicht ohne die geneigten Leser nochmal mit der Bärennase drauf zu stupsen, dass Torgau eine wirklich positive Überraschung auf unserer Reise war. Ein Besuch lohnt in jedem Fall.

Mit dem Zug sind wir planmäßig ca. eine Stunde unterwegs bis Jessen (Elster). Einmal umsteigen mit 20 Minuten Aufenthalt in Falkenberg inklusive – nicht ohne Grund, wie wir lernen, denn um von Bahnsteig 1 auf Bahnsteig 2 zu kommen, geht man nicht etwa ein paar Meter über den Bahnsteig. Nein, man fährt mit einem Fahrstuhl nach unten, muss dann mit dem nächsten Fahrstuhl wieder nach oben auf ein anderes Gleis – und von diesem fährt ein weiterer Fahrstuhl wieder runter auf Gleis 2. Wir haben das Gefühl, hauptsächlich mit dem Fahrstuhl von Torgau nach Jessen gefahren zu sein, fragen uns, ob wir eventuell in Schilda umgestiegen sind und suchen nach der versteckten Kamera. Als wir im Anschlusszug sitzen, sind wir froh, dass wir 20 Minuten Zeit zum Umsteigen hatten. Der Zug rattert los, wir nicken kurz ein und sind eine geträumte Pedalumdrehung später in Jessen. Dort ausgestiegen, freuen wir uns über einen ortsansässigen Bahnmitarbeiter, der sich in der Jugenderziehung stark macht und einem Heranwachsenden per Lautsprecher erklärt, er möge sich doch zum Schutze der anderen Reisenden bitte von seinem Drahtesel herabschwingen.

Wir bereuen gerade, in Torgau keine Zeit für ein ordentliches Mittagessen gehabt zu haben (einen tollen Italiener hatten wir schon entdeckt). Nun fahren wir nämlich durch einen eigentlich wunderschönen Kiefernwald, entlang der Schwarzen Elster, sehen Rehe über den Fahrradweg springen,  Seerosen im Wasser neben dem Weg – doch die Unterzuckerung macht aus uns (nein: nur aus mir, wie mir der Rest der Familie erklärt) grollende Bären. Ein paar Energieriegel finden sich noch neben der Meister-Petz-Röstung im Rucksack, doch auch die halten nicht lange vor. Die Strecke ist wirklich ausgesprochen schön – wir würden sie gern nochmal gesättigt erleben.

Noch ein paar Kilometer, und wir erreichen unser heutiges Tagesziel: den Gasthof „Zum Anker“ in Zahna-Elster, direkt an der Elbe gelegen. Meine nahrungsmangelbedingte schlechte Laune bekommt der Italiener hinter dem Tresen voll ab – zu Unrecht natürlich. Wir beziehen unser Zimmer, amüsieren uns über die Porno-LED-Beleuchtung über dem Kopfteil des Bettes, wanken dann aber schnell und zielgerichtet auf die Terrasse des Restaurants. Der Kellner fragt „na, isse jetzt besser?“ und ich muss schmunzeln. Das Essen ist exzellent, der Blick auf die Elbe ist grandios. Wir fühlen uns spätestens beim Sonnenuntergang ein bisschen wie im Café del Mar und lassen den Abend im Strandkorb ausklingen – wunderbar versorgt von „unserem“ Italiener.

zur nächsten Etappe

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